Europäisches Wirtschaftsgesetzbuch / Bericht von Enrico Letta
- 22/04/2024
- CodeEuropeenDesAffaires.eu
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In seinem Bericht über die Zukunft des europäischen Binnenmarkts, der dem Europäischen Rat am 18. April 2024 vorgelegt wurde, liefert der ehemalige italienische Ministerpräsident Enrico Letta, Präsident des Jacques-Delors-Instituts, Lösungsvorschläge gegen den Wettbewerbsrückstand Europas und den möglichen wirtschaftlichen Niedergang.
Für Enrico Letta ist dieser Niedergang nicht unumkehrbar. Er erfordert dringend einen gemeinsamen Aufschwung. Lettas Bericht zufolge ist der Rückstand Europas gegenüber anderen großen Volkswirtschaften der Welt weitgehend auf die Fragmentierung der Märkte und Volkswirtschaften zurückzuführen, die auch fast 40 Jahre nach der Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte von 1986 noch immer besteht. Sie legte den Grundstein für das große Werk der europäischen Union, das Jacques Delors zu verdanken ist: den Binnenmarkt, der auf den Freiheiten für Waren, Dienstleistungen, Arbeitnehmer und Kapital beruht. Dieser muss heute dringend verbessert werden.
Zeitgleich hat Mario Draghi, ehemaliger Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), im Auftrag der Europäischen Kommission einen Bericht über die europäische Wettbewerbsfähigkeit vorbereitet. Er stützt die von Enrico Letta getroffene Feststellung und seine Empfehlungen zur sofortigen Behebung der Fragmentierung der europäischen Märkte und Volkswirtschaften stützen.
Lettas Bericht macht deutlich: Es ist ein radikaler Wandel erforderlich. De Schlüssel dazu stellen Unternehmen in Europa dar, die endlich die Vorteile des Binnenmarktes ausschöpfen sollten dürfen gegenüber ihren globalen Konkurrenten, die auf riesigen, effizienten Märkten florieren.
Es ist ein strategisches und souveränitätspolitisches Gebot, den europäischen Unternehmen zu ermöglichen, sich im Binnenmarkt zu entwickeln. Vor diesem Hintergrund schlägt Enrico Letta in seinem Bericht “Much more than a Market” die Schaffung eines Europäischen Wirtschaftsgesetzbuches vor.
Das Europäische Gesetzbuch für Wirtschaft, Handel und Unternehmen ist notwendig. Es würde den Weg für die dringend erforderliche Vereinfachung des europäischen Wirtschaftsrechts ebnen; dank der Technik der Kodifizierung bei gleichbleibendem Recht würde es den europäischen Besitzstand im Bereich des Wirtschaftsrechts lesbar und zugänglich machen. Durch den Rückgriff auf eine 28. optionale Regelung würde es die Aspekte der derzeitigen Marktfragmentierung beheben, die Unternehmen am meisten belasten. Diese Folgen ergeben sich aus der Koexistenz und Abschottung der 27 verschiedenen Wirtschaftsrechtsordnungen, die noch immer den Alltag der Unternehmen in Europa bestimmen.
“Wir können davon ausgehen, dass ein Europäisches Wirtschaftsgesetzbuch einen transformativen Schritt in Richtung eines einheitlicheren Binnenmarkts darstellen würde, der den Unternehmen eine 28. Rechtsordnung zur Hand gibt. Er würde das derzeitige Mosaik aus nationalen Regelungen direkt angehen, überwinden und als Schlüsselinstrument fungieren, um das volle Potenzial der Freizügigkeit innerhalb der Union freizusetzen”, so der ehemalige italienische Ministerpräsident.
Gemäß den Empfehlungen des Letta-Berichts wird das europäische Wirtschaftsgesezbuch die Entwicklung neuer Vertragsinstrumente ermöglichen, die den konkreten Bedürfnissen der Unternehmen entsprechen, damit sich diese auf dem europäischen Markt entfalten können. Die Bedürfnisse sind folgende:
- Bedarf an einer Gesellschaftsform, die in anderen Mitgliedstaaten vollständig anerkannt. Dafür liefert das Wirtschaftsgesetzbuch die neue Form einer vereinfachten Europäischen Gesellschaft (SES);
- Bedarf an Finanzierung durch ein europäisches Darlehen, europäische Sicherheiten (Eurokaution, Eurogage...) oder auch durch die Zeichnung europäischer Anleihen;
- Bedarf an Versicherungsschutz durch eine europäische Versicherung;
- Bedarf an Innovationsförderung durch die Schaffung eines europäischen Steuersystems für “junge, innovative europäische Unternehmen” etc.
Ein vereinheitlichtes und kodifiziertes Wirtschaftsrecht stellt darüber hinaus einen Vektor für Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität dar, wie zahlreiche Beispiele aus dem Ausland zeigen. In den USA hat der Uniform Commercial Code (UCC) die Schaffung eines riesigen Marktes erleichtert, während in Afrika die Organisation für die Harmonisierung des Wirtschaftsrechts (OHADA) als Motor für das Wachstum von Handel und Investitionen anerkannt wird.
Es ist notwendig, europäischen Unternehmen eine Perspektive mit der Verbesserung des Binnenmarktes zu geben. Der Weckruf und der Aufruf zum Aufbruch von Enrico Letta und Mario Draghi sind daher wahrlich willkommen. Das Ziel des Präsidenten des Jacques-Delors-Instituts sollte es nun sein, dafür zu sorgen, dass seine Vorschläge, nicht im Sande verlaufen. Denn die Vorschläge sind zwar ehrgeizig, aber realisierbar.